Rebellion gegen das Aussterben

Existenzielle Krisen schaffen eine bemerkenswerte Klarheit. Sie lassen uns auf einmal sehen, was wichtig ist, wo unsere Prioritäten liegen. Eine solche Krise ist der aktuelle Klimakollaps. Wenn ihr diese Zeilen auf diesem Blog lest, dann muss ich euch wahrscheinlich nicht erzählen, warum die Klimakrise eine solche essenzielle Krise ist. Wahrscheinlich wisst ihr schon, dass irgendwo zwischen einer Erwärmung von 1,5 und 2 Grad, die Erde selber anfängt klimaschädliche Gase freizusetzen, die lange Zeit im arktischen Permafrost und in den Ozeanen gespeichert waren, was zu einer Erwärmung von bis zu 5 Grad führen könnte. So eine starke Erwärmung würde das Leben in vielen Teilen der Erde unmöglich machen, weil sie überflutet oder zu heiß sein werden. Im Rest wird der Anbau von Nutzpflanzen schwieriger bis unmöglich und das Trinkwasser knapp. Krankheiten, die heute in unseren Breitengraden nicht überleben können, würden sich hier auf einmal wohl fühlen. In solchen apokalyptischen Zuständen wären Kriege um die verbleibenden Ressourcen nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.

Warum wiederhole ich all diese Vorhersagen der Wissenschaft an diesem Punkt? Weil wir uns das Ausmaß der Klimakrise immer wieder in Erinnerung rufen müssen, wenn die Politik sie wie eine unter vielen Themen behandeln will. Wenn die CDU oder die SPD die Klimakrise verhandeln wie eine Autobahnmaut und die Arbeitsplätze von 20’000 Leuten in der Kohleindustrie über das Überleben unserer aller Kinder stellen, oder wenn die Grünen Deutschland beinahe Klimaneutral nur bis 2050 haben wollen1, müssen wir sie daran erinnern, warum die Klimakrise kein Thema ist wie alle anderen. Wir müssen sie daran erinnern, dass die Welt bis 2030 Klimaneutral sein muss, wenn wir mit 66 % Wahrscheinlichkeit unter 1,5 Grad bleiben wollen2. Wir müssen radikal sein, weil die Umstände radikal sind.

Am 07. Oktober startet die Rebellion Wave von Extinction Rebellion. Mindestens eine Woche lang sollen einige wichtige Städte blockiert werden, darunter auch Berlin, Paris und New York. Friedlich und ohne Gewalt werden an zentralen Straßen Sitzblockaden errichtet. Die Regierung soll so lange gestört werden, bis sie den Klimanotstand ausruft und sich verpflichtet, alles nur mögliche zu unternehmen um den Klimakollaps abzuwenden. Weitere Ziele gewaltfreier Aktionen werden zentrale Unternehmen sein, die in besonderem Maße an der Umweltzerstörung beteiligt sind, und Infrastruktur, mit der das toxische System aufrecht erhalten wird.

Extinction Rebellion ist eine Graswurzelbewegung, die mithilfe zivilen Ungehorsams gegen die Zerstörung des Planeten vorgehen möchte. Wichtige zentrale Prinzipien, auf die sich jeder beziehen muss, der mitmachen möchte, sind Gewaltfreiheit, Selbstbestimmung, Dezentralität und Respekt, gegenüber unseren Mitstreitern, Zivilisten, den Polizisten, mit denen wir aneinandergeraten werden, und uns selber. Wir arbeiten nicht gegen die Menschen, deren Alltag wir mit unseren Aktionen behindern, wir versuchen sie lediglich darauf aufmerksam zu machen, dass etwas unternommen werden muss. Wir sind so freundlich wie möglich zu den Polizisten, weil eine Auseinandersetzung mit ihnen niemanden etwas bringt. Wir wollen nicht randalieren, wir wollen etwas verändern. Und wir haben Respekt uns selbst gegenüber. Wir achten darauf uns nicht auszubrennen und wir gehen nur so weit, wie unsere Grenzen es zulassen. Gerät vor uns jemand an seine Grenzen, dann versuchen wir nicht ihn weiter zu treiben, wir helfen ihm sich wieder zu erholen. Nur mit Achtsamkeit uns selber, unseren Mitmenschen und unserer Umwelt gegenüber können wir ein System transformieren, dem genau diese Dinge egal sind.

Wir versuchen Spaß zu haben bei unseren Aktionen. Wir singen, unterhalten uns, kochen und haben eine gute Zeit. Ziviler Ungehorsam kann am Anfang etwas unheimlich scheinen aber noch unheimlicher ist es auf einem sterbenden Planeten zu wohnen. Wir würden uns freuen dich am 7. Oktober auf der Rebellion Wave zu begrüßen, oder vielleicht auch schon vorher bei einer unserer anderen Aktionen. Wenn du uns zusammen mit deiner Stadt googlest findest du uns sicher.

Wir freuen uns auf dich.

1https://www.gruene.de/artikel/klimaschutz-sofortprogramm-fuer-den-sommer-2019-was-jetzt-zu-tun-ist

2https://www.klimareporter.de/erdsystem/klimaneutralitaet-kommt-2050-zwei-jahrzehnte-zu-spaet

Schlimmer als der Worst Case

Eisschmelzen in Grönland geht so schnell wie es Wissenschaftler als schlimmstes Szenario für 2070 vorhergesagt haben

 

55 Milliarden Tonnen Wasser, das ist so viel, man kann es sich nicht mehr vorstellen. Das sind fünf Millionen olympische Pools. Das ist genug Wasser um ganz Deutschland mit sieben Zentimeter zu bedecken. Das ist wie viel in fünf Tagen in Grönland geschmolzen ist. Diese Mengen haben die pessimistischsten Modelle der Klimaforscher für das Jahr 2070 prognostiziert.

Das dramatische Eisschmelzen deutet auf einen Wendepunkt in Grönlands Klima hin, der ein vollständiges verschwinden des Eises unausweichlich machen würde. In diesem Fall wären Küstenstädte auf der ganzen Welt vom ansteigenden Meeresspiegel bedroht. Da das Schmelzen nun schneller vorangeht als gedacht, könnte dieses Szenario viel früher eintreten als angenommen.

Die Schmelzsaison in der Arktis beginnt normalerweise im Juni und endet im August. Dieses Jahr begann sie allerdings schon ungewöhnlich früh im Mai und war außergewöhnlich heftig. In den Tagen vom 30. Juli zum 3. August schmolz dann besonders viel Wasser. Grund dafür war dieselbe Warmluftfront, die aus der Sahara über Europa zog und es hier auf den Straßen unerträglich heiß machte. So wurde der Temperaturrekord in Frankreich um beinahe einen ganzen Grad überschritten und in Berlin lag der Mittelwert für Juni 5,2 Grad über dem Normalwert. Die Hitzewelle forderte allein in Deutschland tausende Menschenleben.

Besonders schlimm ist das Eisschmelzen in Grönland weil dadurch mehr und mehr Permafrost freigelegt wird, dauerhaft gefrorener Boden, der beim tauen starke Treibhausgase freisetzt, die wiederum den Klimawandel beschleunigen. Der Klimatologin Ruth Mottram meint dazu gegenüber „Inside Climate News“: „Irgendwo zwischen 1,5 und 2 Grad gibt es einen Wendepunkt, ab dem die grönländische Eisdecke nicht mehr erhalten bleiben kann“. Würde die gesamte Eisdecke Grönlands schmelzen, könnte das zu einem Anstieg des Meeresspiegels um bis zu sieben Meter führen. Laut einem Video der NASA würde das bei der aktuellen Geschwindigkeit etwa 1000 Jahre dauern. Doch Mottram zweifelt an dieser Prognose: „Was wir bislang nicht begriffen haben, ist, wie schnell die grönländische Eisdecke verloren gehen wird.“

Die Ergebnisse der Klimaforscher aus Grönland zeigen, wie dringend wir einen Wandel in unserer bisherigen Klimapolitik brauchen. Die Arktischen Regionen sind besonders anfällig gegenüber Klimaschwankungen. Ohne einen schnellen und entschiedenen Kurswechsel könnten ihre empfindliche Gleichgewichte bald zerstört sein, mit katastrophalen Folgen für uns alle.

Wachstum neu denken

Brauchen wir eine Post-Wachstumsgesellschaft?

Nun diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Ich denke wir müssen schauen, was wir mit Wachstum meinen. Natürlich wollen wir, dass es allen Menschen immer besser geht, dass Menschen aus der Armut geholfen wird und dass alle an dem Segen teilhaben können, den uns die wissenschaftliche Entwicklung beschert. Aber wenn von Wachstum gesprochen wird, dann wird meistens ökonomisches Wachstum gemeint und ökonomisches Wachstum wird dadurch definiert wie viel hergestellt und wie viel konsumiert wird. Dabei ist vollkommen egal wie sinnvoll das hergestellte oder konsumierte ist.

Ich will hier ein ganz konkretes Beispiel bringen. Jedes Jahr bringen die großen Handyfirmen ein neues Modell auf den Markt. Die neuen Modelle sind nicht viel besser als die vorherigen. Damit sie trotzdem verkauft werden können, sorgen die Hersteller dafür, dass die alten Handys viel schneller kaputt gehen, als sie es müssten und die Menschen sind dazu gezwungen, die neuen Handys zu kaufen. Keinem geht es dadurch besser. Keiner hat dadurch einen Vorteil. Die Umwelt geht kaputt und wir verbrauchen wertvolle, begrenzte Ressourcen. Aber weil Geld den Besitzer gewechselt hat, steigt die Produktion und der Konsum. Auf dem Papier ist das dann Wachstum.

Die Firmen tun das nicht weil sie böse sind. Sie tun es weil es für sie logisch ist. Das Problem ist, dass die Firmen ein Anreiz haben uns nicht auf lange Zeit glücklich zu machen. Glückliche Menschen kaufen nicht weiter ihre Produkte. Ihre Aufgabe ist es uns glauben zu machen, dass ihre Dinge uns glücklich machen werden. Mit diesem Glauben machen sie ihr Geld, nicht mit der tatsächlichen Tat. Ob uns das Ding wirklich glücklich macht und dann schnell uninteressant wird oder kaputt geht oder ob es von Anfang an nicht so toll ist, wie wir gedacht haben, ist egal. Wichtig ist nur, dass wir glauben, dass wir das Ding brauchen BEVOR wir es kaufen. Dinge müssen dauerhaft und immer schneller alt werden, kaputt gehen oder überholt sein. So dreht sich die Mode immer schneller und Elektrogeräte gehen immer schneller kaputt. Wir kaufen immer mehr und haben am Ende dann doch einfach nur dasselbe.

Müssen wir also jetzt vollkommen mit dem Wachstum abschließen? Nein. WissenschaftlerInnen werden immer neue Dinge herausfinden, IngenieurInnen werden immer neue Dinge daraus bauen und Menschen in Schwellenländern werden auf unseren Standard des Lebens kommen. Doch muss ganz klar umdefiniert werden, was Wachstum eigentlich bedeutet. Den sehen wir uns um, wie es heute aussieht, dann stagniert unser Lebensniveau eigentlich schon seit Jahrzehnten, während unser Konsum unablässig steigt.

Wir müssen umdefinieren wie wir Wachstum verstehen. Momentan wird Wachstum als mehr Produktion und mehr Konsum gesehen. Das ist ein Problem, denn Produktion verbraucht endliche Ressourcen. Im Endeffekt wird Wachstum mit Ressourcenverbrauch gleichgesetzt. Trinkwasser, Boden auf dem etwas angebaut werden kann, Kupfer, Aluminium, Erdöl, Plastik, Orte, die nicht verschmutzt sind, CO^2, dass in die Atmosphäre geblasen werden kann, bevor große Teile des Planeten unbewohnbar werden, Holz, all das ist begrenzt, aber wir tun momentan so, als hätten wir unendlich davon. Wir können alle weniger davon verbrauchen und es muss uns deshalb nicht schlechter gehen. Wir müssen nur die Dinge, die wir haben, länger benutzen, sie reparieren, sie recyclen und sie so herstellen, dass sie, wenn wir sie schließlich doch nicht mehr benutzen können, keinen Schaden in der Natur anrichten. Wir brauchen einen neuen Index für Wachstum, der tatsächlich das Glück, die Lebensqualität der Menschen wiedergibt. Das BIP ist lächerlich schlecht dafür.

Doch das ist einfacher gesagt als getan. Momentan sieht es so aus als würden wir die ökologischen Probleme mit noch mehr Wachstum lösen wollen. Bevor wir aufhören klimaschädliche Gase in die Atmosphäre zu pumpen, entwickeln wir bessere Sonnencreme, bevor wir die Bienen retten, bauen wir winzige Roboter, die unsere Nutzpflanzen statt ihnen bestäuben sollen. Wir wollen Dämme gegen den Anstieg des Wasserspiegels bauen und Klimaanlagen für die Regionen, die unerträglich heiß werden sollen. Nur merken wir, je näher wir dem Bedrohungsszenario kommen, dass wir uns bei mit diesen Lösungen doch etwas übernommen haben. Die beste Methode mit dem drohenden ökologischen Kollaps umzugehen, ist ihn zu verhindern.

Doch wie gesagt, die Unternehmen handeln nicht wie sie handeln, weil sie böse, blind oder dumm sind. Die Unternehmen handeln wie sie handeln, weil es in ihrer Position Sinn ergibt. Wollen wir, dass unser Planet für unsere Enkelkinder bewohnbar sein wird, dann müssen wir unser System auf eine Weise verändern, dass die Anreize für die Unternehmen so setzt, dass sich diese umweltbewusst verhalten müssen.