Wachstum neu denken

Brauchen wir eine Post-Wachstumsgesellschaft?

Nun diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Ich denke wir müssen schauen, was wir mit Wachstum meinen. Natürlich wollen wir, dass es allen Menschen immer besser geht, dass Menschen aus der Armut geholfen wird und dass alle an dem Segen teilhaben können, den uns die wissenschaftliche Entwicklung beschert. Aber wenn von Wachstum gesprochen wird, dann wird meistens ökonomisches Wachstum gemeint und ökonomisches Wachstum wird dadurch definiert wie viel hergestellt und wie viel konsumiert wird. Dabei ist vollkommen egal wie sinnvoll das hergestellte oder konsumierte ist.

Ich will hier ein ganz konkretes Beispiel bringen. Jedes Jahr bringen die großen Handyfirmen ein neues Modell auf den Markt. Die neuen Modelle sind nicht viel besser als die vorherigen. Damit sie trotzdem verkauft werden können, sorgen die Hersteller dafür, dass die alten Handys viel schneller kaputt gehen, als sie es müssten und die Menschen sind dazu gezwungen, die neuen Handys zu kaufen. Keinem geht es dadurch besser. Keiner hat dadurch einen Vorteil. Die Umwelt geht kaputt und wir verbrauchen wertvolle, begrenzte Ressourcen. Aber weil Geld den Besitzer gewechselt hat, steigt die Produktion und der Konsum. Auf dem Papier ist das dann Wachstum.

Die Firmen tun das nicht weil sie böse sind. Sie tun es weil es für sie logisch ist. Das Problem ist, dass die Firmen ein Anreiz haben uns nicht auf lange Zeit glücklich zu machen. Glückliche Menschen kaufen nicht weiter ihre Produkte. Ihre Aufgabe ist es uns glauben zu machen, dass ihre Dinge uns glücklich machen werden. Mit diesem Glauben machen sie ihr Geld, nicht mit der tatsächlichen Tat. Ob uns das Ding wirklich glücklich macht und dann schnell uninteressant wird oder kaputt geht oder ob es von Anfang an nicht so toll ist, wie wir gedacht haben, ist egal. Wichtig ist nur, dass wir glauben, dass wir das Ding brauchen BEVOR wir es kaufen. Dinge müssen dauerhaft und immer schneller alt werden, kaputt gehen oder überholt sein. So dreht sich die Mode immer schneller und Elektrogeräte gehen immer schneller kaputt. Wir kaufen immer mehr und haben am Ende dann doch einfach nur dasselbe.

Müssen wir also jetzt vollkommen mit dem Wachstum abschließen? Nein. WissenschaftlerInnen werden immer neue Dinge herausfinden, IngenieurInnen werden immer neue Dinge daraus bauen und Menschen in Schwellenländern werden auf unseren Standard des Lebens kommen. Doch muss ganz klar umdefiniert werden, was Wachstum eigentlich bedeutet. Den sehen wir uns um, wie es heute aussieht, dann stagniert unser Lebensniveau eigentlich schon seit Jahrzehnten, während unser Konsum unablässig steigt.

Wir müssen umdefinieren wie wir Wachstum verstehen. Momentan wird Wachstum als mehr Produktion und mehr Konsum gesehen. Das ist ein Problem, denn Produktion verbraucht endliche Ressourcen. Im Endeffekt wird Wachstum mit Ressourcenverbrauch gleichgesetzt. Trinkwasser, Boden auf dem etwas angebaut werden kann, Kupfer, Aluminium, Erdöl, Plastik, Orte, die nicht verschmutzt sind, CO^2, dass in die Atmosphäre geblasen werden kann, bevor große Teile des Planeten unbewohnbar werden, Holz, all das ist begrenzt, aber wir tun momentan so, als hätten wir unendlich davon. Wir können alle weniger davon verbrauchen und es muss uns deshalb nicht schlechter gehen. Wir müssen nur die Dinge, die wir haben, länger benutzen, sie reparieren, sie recyclen und sie so herstellen, dass sie, wenn wir sie schließlich doch nicht mehr benutzen können, keinen Schaden in der Natur anrichten. Wir brauchen einen neuen Index für Wachstum, der tatsächlich das Glück, die Lebensqualität der Menschen wiedergibt. Das BIP ist lächerlich schlecht dafür.

Doch das ist einfacher gesagt als getan. Momentan sieht es so aus als würden wir die ökologischen Probleme mit noch mehr Wachstum lösen wollen. Bevor wir aufhören klimaschädliche Gase in die Atmosphäre zu pumpen, entwickeln wir bessere Sonnencreme, bevor wir die Bienen retten, bauen wir winzige Roboter, die unsere Nutzpflanzen statt ihnen bestäuben sollen. Wir wollen Dämme gegen den Anstieg des Wasserspiegels bauen und Klimaanlagen für die Regionen, die unerträglich heiß werden sollen. Nur merken wir, je näher wir dem Bedrohungsszenario kommen, dass wir uns bei mit diesen Lösungen doch etwas übernommen haben. Die beste Methode mit dem drohenden ökologischen Kollaps umzugehen, ist ihn zu verhindern.

Doch wie gesagt, die Unternehmen handeln nicht wie sie handeln, weil sie böse, blind oder dumm sind. Die Unternehmen handeln wie sie handeln, weil es in ihrer Position Sinn ergibt. Wollen wir, dass unser Planet für unsere Enkelkinder bewohnbar sein wird, dann müssen wir unser System auf eine Weise verändern, dass die Anreize für die Unternehmen so setzt, dass sich diese umweltbewusst verhalten müssen.