Als ich letztes Jahr in den Norden von Berlin nach Frohnau gezogen bin, beeindruckte mich der Duft von sauberer Luft, der Waldgartenstadt, die weiten Dünen am Wald, die die Ost-West deutsche Teilung durch die Mauer in die Landschaft riss und die vielen vielen Obstbäume, Kräuter und Sträucher, welche auf dem alten Kirchenweg ins Nachbardorf zu finden sind.
Dies sind Teile einer Kulturlandschaft, die kreative Architektur, deutsche Geschichte und traditionelle Agrarnutzung verbinden.
Die nördlich zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf angebaute Maiskultur im 4. Jahr in Folge, wo früher eine Wiese war, ist es für mich nicht. Dieser Mais wird als Energie und Futtermais angebaut. Die Ausrichtung Deutschlands auf Bioenergie in den 2010er Jahren mit Biogasanlagen und der EU-Förderung, sind grundlegend natürlich wünschenswert, bloß fand keine Deckelung statt. Die von Umweltverbänden geforderte maximal Menge von Nicht-Reststoffen also z.B für die Biokraftanlage angebauter Mais wurde nicht eingeführt. Dies führte dazu, dass eine Vergasung von angebauter Biomasse mit Tierkot zu einem Gewinn bringenden Model für Landwirte wurde. Auf den Grünlandflächen, wo die Kühe standen, kann Mais gut angebaut werden, da dieser keine Lebensmittelqualität mehr für die Biogasanlage und als Tierfutter braucht und die Fäkalien können im Stall auch leichter gesammelt werden. So explodierte durch die staatliche Förderung der Bau von Biogasanlagen und viele Landwirte nahmen Kredite auf um diese zu finanzieren, denn dieses gewinnbringende Modell wurde sich schnell auszahlen und die Milchbauern unabhängiger vom geringen Milchpreis machen.
Dieses Modell steht jedoch in Konflikt mit der starken Temperaturerhöhung und dem daraus resultierenden Wassermangel. Die letzten 5 Jahre waren die wärmsten in der Wetteraufzeichnung, d.h der Mais konnte nicht so sehr wachsen, als dass genug Biomasse geerntet wurde, um die Biogasmenge zu verkaufen, die nötig wäre um den Kredit mit der Bank abzuzahlen. Wenn dies nun im ersten Jahr passiert, baut der Bauer im nächsten Jahr wieder Mais an und lässt vielleicht die Wintergründüngung weg um diesen Verlust auszugleichen. Normalerweise benutzen LandwirtInnen Fruchtfolgen mit Gründüngungen, um die durch die Ernte entnommenen Nährstoffe wieder in den Boden einzubringen.
Quelle: Klimafolgenforschungsinstitut Potsdam www.klimafolgen.de
Wenn es nun ein extremes Wetterjahr gibt und die LandwirtInnen nicht genug Geld haben, wird es manchmal ausgelassen und dann im nächsten Jahr nachgeholt. Diese extremen Wetter ziehen sich nun aber jedes Jahr hin, sodass großflächig Mais in langjährigen Folgekulturen angebaut wird. Das Problem daran ist, dass in einseitigen Ökosystemen nur monotoner Lebensraum zur Verfügung steht, aber davon sehr viel. Die sonst ausgeglichen Nahrungskette wird minimiert, sodass Fressfeinde des Mais sich sehr stark vermehren. Diese werden dann mit zunehmender Pestizidgabe zurückgedrängt, da sie jedes Jahr bessere Überlebensmöglichkeiten finden. Gleichzeitig wird der Boden durch die gleiche Pflanze auch gleich benutzt. Folglich fühlen überall die gleichen Nährstoffe und die Durchwurzelung, der Bodenbedeckungsgrad und der Erosionsverlust ist auch gleich. Dieses System führt also zu Nährstoffauswaschung in Flüsse und Gewässer, Bodenversauerung durch Dünger und Regen und Biodiversitätsverlust durch einen monotonen Lebensraum über und unter der Erde.
Aus dem Bericht des Weltbiodiversitätsrats Ipbes 2019 wird deutlich, dass die Steigerung der ökonomischen Ökosystemleistung negativ mit der sozialen und ökologischen Funktion von Landschaften korreliert ist. Es entstehen Rückkopplungseffekte wie zum Beispiel die Degeneration von 23% der Landfläche und Bestäuberverluste durch Monotonisierung der Landschaft.
Der jetzt schon extreme Biodiversitätsverlust im Anthropozän ruft eine Instabilität in den komplexen ökologischen Wirkgefüge der Landschaft hervor und beschleunigt sich so.
Im Durchschnitt sind ¼ aller Arten weltweit vom aussterben bedroht, d.h sie sterben aus, wenn sich nichts ändert und gerade Dauergrünland ist eine ökologisch wertvolle Fläche für Insekten, Amphibien und das klimatische Gleichgewicht.
Es liegt ein Grünordnungbericht vom Stolperfeld von 2005 vor in dem ausdrücklich davon abgeraten wird, auf der Fläche das Grünland zu einem Maisacker umzuwandeln, weil es eine sehr schützenswerte Fläche ist.
Trotzdem würde dann 5 Jahre später die Fläche für die Maismonokultur freigegeben und umgebrochen.
Doch wie schaffen wir nun eine biodiversere, nachhaltige, nutzbare neue Landschaft?
Die im Frühjahr 2019 über nebenan.de gegründete Interessengemeinschaft Stolperfeld (www.stolperfeld.de) beschäftigt sich als lokale Gruppe mit diesem Thema. Wie können wir die Landschaft, welche unser Allgemeingut ist, aber gewinnbringend von wenigen Person genutzt wird, so pflegen, dass keine externen Kosten für Umwelt und Gesellschaft entstehen? Wie können wir ein Agrarsystem das global auf tierische Produktexporte durch die EU gefördert wird, lokal umstrukturieren?
Nun befindet sich das Projekt mit einem wicked problem konfrontiert. Das natürliche und anthropogene Ökosystem auf dem Stolperfeld allein stellt eines dar.
Ich werde in meiner Bachelorarbeit mit landschaftsökologischem Ansatz und Permakultur Strategien diesen Standort erforschen. Der Boden bildet die Grundlage der Nahrungsproduktion, verarmt aber durch die industrielle Landwirtschaft. 9% des deutschen Bodens ist schon degeneriert und die wieder Fruchtbarmachung dauert über Jahrhunderte, weltweit sind es sogar 23%.
Auf dem Stolperfeld haben wir schwach lehmigen Sand mit einem sehr geringen Humusgehalt von 1%. Die Bodenzahl ist verbreitet unter 30 und teilweise 30-50, was einen ungünstigen Boden darstellt. Gleichzeitig haben wir eine mittlere Winderosionsanfälligkeit, eine sehr hohe Wasserdurchlässigkeit mit <300com/d in 1m Tiefe, aber nur ein geringes Sorptionsvermögen im effektiven Wurzelraum.
Folglich ist das Stolperfeld anfällig für Wind, Bodenabtrag/auswaschung und damit Humusverarmung. Humus wird aber von Mikro und Makroorganismen im Boden aus Pflanzenreststoffen erzeugt, also sollte dieser Boden so bearbeitet werden, dass sich die Bodenorganismen wohl fühlen und ihre Biozönose erhöhen.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt zum Bodenschutz Dauergrünland zu erhalten, Zwischenfrüchte, Untersaaten, mehrjährige Kulturen mit z.B Luzerne oder Kleegras, die Erntereste auf dem Acker zu belassen, Hecken und Feldgehölze zu fördern und organisch zu Düngen.
Agroforstsysteme, die durch mehrere Ebenen in der Höhe den Ertrag und die Synergieeffekte auf der Fläche steigern, stellen für mich weiterhin eine interessante Möglichkeit dar, die Temperatur auszugleichen, die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen, das Bodenwasser zu halten und die Windgeschwindigkeit zu senken. Außerdem gibt es interessante Waldweideprojekte in denen lichte Wälder mit Offenlandschaften kombiniert werden um dort Rinder oder Pferde weiden zu lassen (https://mlul.brandenburg.de/media_fast/4055/karte_parkrind.pdf). In den Niederlanden wird diese Waldweide schon auf 45000ha Land zum Natur-, Biodiversitätsschutz und zur Landschaftspflege eingesetzt.
Weiterhin könnten permakultur Ansatz und regenerative Landwirtschaft das Konzept bereichern (http://lebensraum-permakultur.de/elemente-einer-aufbauende-landwirtschaft-am-schloss-tempelhof/)
Nun wird dieses komplexe ökologische Problem auch ein ökonomisches, welches von der IG Stolperfeld über die Gesellschaft und deren soziale Funktion gelöst werden soll. Dazu haben wir Kontakt mit dem Pächter aufgenommen. Der Albrechtshof ist ein Milchkuhbetrieb mit 60 MitarbeiterInnen. Sie besitzen 2000 Milchkühe und 1700 Jungtiere, versorgen diese auf 3000ha Ackerland an 2 Standorten. Bei dem Gespräch fokussierten wir uns darauf den Bauer und seine MitarbeiterIn kennenzulernen und zu verstehen, warum sie in diesem System arbeiten. Herr Arentz kommt aus einer landwirtschaftlichen Familie die früher in den Niederlanden schon Kühe hatten und um sich zu vergrößern ging er dann 2007 nach Brandenburg. Er kennt hier viele andere Kuhhalter und hält seine Tiere für einen industriellen Betrieb sehr gut. Gleichzeitig sieht er sich oft mit dem extremen Marktdruck und den schlechten Milchpreisen konfrontiert.
Der Preis schwankt zwischen 30 und 35 cent/liter. Eine Hochleistungkuh gibt pro Jahr 9000l Milch, d.h pro Kuh verdient ein Bauer 3000-3500€ im Jahr an der Milch, davon muss er Futter, Tierarzt, Mitarbeiter, Einstreu, Strom, Versicherung, Pacht etc. bezahlen. In dem Gespräch ist hervorgegangen, dass die Bewirtschaftenden des Stolperfeldes sich bewusst sind, dass ihre Wirtschaftsweise nachhaltiger sein könnte, aber sie wirtschaften auch sie unter starkem Marktdruck von den Molkereien. Gleichzeitig bekommen sie sehr wenig Information und Unterstützung von Verbänden, sondern von AgrarberaterInn die ihnen etwas verkaufen wollen. Eine Möglichkeit diesen Marktdruck zu umgehen sind Agrargenossenschaften oder Solawi Konzepte. Hier kann weiterhin partizipative Forschung helfen, deshalb haben wir uns darauf verständigt, dass sie mir sagen welche Träume und Vision sie für die Zukunft haben. Dann werde ich diese Vision mit dem Dragon Dreaming Traummanifest der IG Stolperfelde kombiniere, um die Projektebenen zu verbinden und ein nachhaltigeres Gesamtkonzept zu erstellen.
Gleichzeitig baut sich ein enormes Netzwerk von Projekten und Möglichkeiten um das Stolperfeld auf, sodass wir alle zuversichtlich sind einen weiterführenden Lösungsansatz zu finden.
So mit ist Biodiversität im natürlichen Kontext des Menschen zu sehen, denn wenn wir alleine monoton Arbeiten und Leben, können keine Synergieeffekte zwischen den Diversitäten entstehen und wir schöpfen nicht das volle natürliche Potential aus. Letztendlich „[hat ein] divers aufgestellter Betrieb ein Pufferspektrum für die Klimaveränderung“ (Klimafolgenforschungsinstiutut Potsdam) und erzeugt damit Biodiversität.